Das ist eine herbe Niederlage für den Tierschutz in Deutschland. Klar ist: Die heutige Entscheidung hatte nur rein formaljuristische Gründe und ist damit keineswegs Freibrief für die Praktiken der Geflügelwirtschaft. Männliche Küken dürfen aber weiterhin massenhaft kurz nach dem Schlüpfen getötet werden. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seinem heutigen Urteil die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien über den Tierschutz, indem es die verpflichtende Einführung auf ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei auf den Sankt-Nimmerleinstag verschiebt. Der Tierschutz unterliegt so den wirtschaftlichen Interessen. Das ist angesichts eines Staatsziels Tierschutz nicht hinnehmbar.
Ein Blogbeitrag von Britta-Heide Garben.
2016 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster ein Verbot des Kükenschredderns, verordnet vom früheren grünen NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel, aufgehoben. Die Begründung für die Aufhebung war, dass – mangels Alternativen zur bestehenden Praxis – in der Abwägung letztlich der Berufsfreiheit gegenüber dem Tierschutz Vorzug zu geben sei.
In Deutschland werden jedes Jahr rund 45 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier brüten und für die Fleischproduktion ungeeignet sind. Sie sind in der Logik der industriellen Tierproduktion unbrauchbar. Zwei Brütereien hatten gegen das Tötungsverbot männlicher Eintagsküken des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2013 geklagt.
Das Urteil ist wirklich zu bedauern. Das Ziel muss ein EU-weites Verbot der Massentötung männlicher Küken sein, denn das Bundesverwaltungsgericht hat heute bestätigt, dass die wirtschaftlichen Interessen der Massentierhaltung höher zu werten sind, als das Staatsziel „Tierschutz“. Tiere sind keine Massenware, die nach Bedarf weggeworfen werden kann. Sie sollten nicht zum bloßen Rohstoff degradiert werden. Wir Grünen werden weiterhin dafür kämpfen, dass Tierwohl vor Profit steht, in ganz Deutschland und in der ganzen Europäischen Union.
Tiere sollen nicht mehr einseitig auf ein Leistungsmerkmal gezüchtet werden. Langlebigkeit und Robustheit müssen die Hauptkriterien sein. Bei Geflügel müssen wir endlich zurück zum Königsweg, dem „Zweinutzungshuhn“, denn das Schreddern und Ersticken von Tieren hat gesellschaftlich und politisch keine Akzeptanz.
Jährlich werden in Deutschland über 40 Millionen männliche Küken getötet. Dabei gibt es Alternativen, aber sie werden viel zu langsam eingeführt. Für die Übergangszeit muss eine Früherkennung des Geschlechts im Ei vorgeschrieben werden und für alle Brütereien schnell verfügbar gemacht werden. Die vorzeitige Geschlechtsbestimmung im Brutei wird erst bei etwa 3,5 Prozent der Eier durchgeführt. Eier aus einer Haltung „ohne Kükentöten“ machen nur 0,4 Prozent der in Deutschland produzierten Eier aus.
Wir wollen eine Landwirtschaft, in der Tiere mit Respekt – und nicht wie Ausschussware behandelt werden. Tiere sind Lebewesen, keine Rohstoffe!
Das Kükenschreddern ist leider nur eines von zahlreichen Beispielen, die zeigen, wie sehr Tiere zum bloßen Rohstoff degradiert sind und wie sehr sie an die Industrieproduktion angepasst wurden. Die landwirtschaftliche Produktion ist grundsätzlich darauf aufgebaut, möglichst immer mehr Ware für immer weniger Geld zu produzieren. Die Tiere werden letztendlich den industriellen Produktionsabläufen angepasst und die Große Koalition in Berlin passt lieber das Gesetz an die Praxis an als dass sie die Praxis selbst endlich ändert.
Das deutsche Tierschutzgesetz sagt: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Und: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“
Was ist denn ein „vernünftiger Grund“, ein Tier zu töten? Vor allem, wenn man weiß, dass in Deutschland jedes Jahr pro Kopf über 50 kg Lebensmittel weggeworfen werden? Diese Verhältnisse stimmen schon lange nicht mehr. Wir können die Bedingungen ändern, unter denen die sogenannten landwirtschaftlichen Nutztiere gehalten werden. Aber wenn wir Tiere schon töten, um sie zu essen, dann müssen wir die Bedingungen auch ändern. Dabei sollten wir über die Kleinigkeiten einer Verbesserung hinausgehen, die momentan nur durch ein paar Zentimeter mehr Platz hier und ein bisschen mehr Beschäftigungsmaterial oder die Beschaffenheit der Einstreu da möglich sind.
Genauso dringend ist es, die Milliarden europäischer Steuergelder besser auszugeben. Derzeit unterstützen sie Großbetriebe und intensive, landwirtschaftliche Produktion. Stattdessen sollten sie derart eingesetzt werden, dass Landwirt*innen Einkommensalternativen entwickeln und erhalten, die Leistungen für die Umwelt, das Tierwohl und den Klimaschutz erbringen.